Zwei Personengruppen wurden mit dem Territorium an Österreich verkauft, nämlich „die edel 1u(i)te Gaiuan mit seinen Kindern, Ru(e)di Ankelstain mit seinen Kindern, Alle Scherer, U(e)lli, Ku(o)ntz und Ja(e)ke die Hartmann, Bu(e)rki und Hans die Gecziner und Ru(e)dgers des Kriessers Kinder.
Diese ,,Edelleute“, unter denen vom Namen her besonders der aus der Welt der höfischen Dichtung stammende Gawan (= Gawein) auffällt, bildeten die militärische Dienstmannschaft der Tumb von Neuburg, sie bewegten sich am untersten Rand des adeligen Spektrums, das auch bäuerlichen Aufsteigern offenstand.
Ein enger verwandtschaftlicher Zusammenhang zwischen den in dieser Urkunde genannten Hartmann und der Rankweiler Landammannfamilie gleichen Namens, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts bereits in Ehebeziehungen mit dem ritterlichen Adel stand, ist sehr wahrscheinlich.[1]
Zu dieser primär durch ihre Funktion abgehobenen Oberschicht kamen noch 150 weitere Einzelpersonen, Familien oder Familienteile, die als die Leute, die sture gebent (also Steuer zahlen), bezeichnet und namentlich in dieser Urkunde aufgeführt wurden. Es handelte sich dabei, genauso wie bei den ,,Edelleuten“ um Leibeigene der Tumb von Neuburg, die allerdings im Lauf der Zeit – vor allem nach dem Erwerb weiterer Landesteile durch die Habsburger – als österreichische Untertanen eine deutliche Besserstellung ihrer Rechtsstellung erfuhren und seit dem ausgehenden Mittelalter wie Freie lebten,[2]
Diese Familien waren nicht alle bei der Neuburg bzw. in Koblach wohnhaft, sondern auch in anderen Außbesitzungen der Tumb, so in Meschach ob Götzis, in Götzis-Kommingen, in Altach, in Meiningen, in der Walgauer Herrschaft Jagdberg, in Balzers im heutigen Liechtenstein, sowie links des Rheins in Berneck, Rebstein, Widnau und Schmitter.
Die Bevölkerungszahl von Koblach zum Zeitpunkt des Übergangs an Österreich ist aus dieser Zusammenstellung allerdings nicht sicher zu erschließen, da einerseits die örtliche Zuweisung in vielen Fällen fraglich ist und zum anderen nähere Angaben über die jeweilige Kinderzahl fehlen. Insgesamt mögen etwa 300 Personen zur Herrschaft Neuburg gehört haben, von denen nicht einmal die Hälfte in der Herrschaft selbst beheimatet war.[3]
Auch die Organisation der Landesverteidigung war – in Zusammenarbeit mit den landesfürstlichen Obrigkeiten – Aufgabe der Stände. Neuburg rangierte hinsichtlich seiner Verpflichtungen ganz am Ende der Vorarlberger Landstände. Bei einer Aufteilung der zu erbringenden Leistungen im Jahr 1698/99 entfielen auf das Gericht Neuburg gerade 0,7 Prozent des Gesamtaufkommens, das damit sogar noch hinter Damüls lag.[4]
Dieser Wert entsprach genau dem Verhältnis der von Neuburg zu stellenden Truppenzahl im Landesverteidigungsfall gegenüber der des ganzen Landes: Von der gesamten Mannschaft, die in den österreichischen Herrschaften 1601 gemustert wurde – insgesamt 5884 Mann – sollten aus Neuburg ganze 41 Mann kommen, was wiederum 0,7 Prozent ergibt.[5]
Die geringe Einwohnerzahl des Neuburger Sprengels bedingte also auch den niedrigen Anteil, den er zum Haushalt der Stände beizusteuern hatte.
Immer wieder erforderten kriegerische Ereignisse beträchtliche Aufwendungen, so vor allem auch die Durchzüge eigener oder verbündeter Heere, die von der Bevölkerung einquartiert und versorgt werden mussten. Die einzelnen Stände mussten sich schwer verschulden, so auch das Gericht Neuburg, das im März 1703 beim Stift Kreuzlingen 1.000 Gulden aufnehmen und dafür alle Gemeindegüter sowie den Privatbesitz des Ammanns und der Gemeindegeschworenen als Pfand setzen musste. Weitere Kredite wurden im benachbarten Kriessern beschafft.[6]
Der Hof Koblach und die Neuburger Untertanen
In der Verkaufsurkunde von 1363 scheint auch der Mittelpunkt der Neuburger Wirtschaft auf, der Hof zu Koblach (Koblan), der ebenso wie die Fischereirechte im Rhein, nicht einen Teil des Reichslehens Neuburg bildete, sondern sich als Reichspfandschaft in der Hand der Neuburger befand.
Der dem Neuburger Gericht zugehörige Personenkreis war stets überschaubar. Die Einwohnerzahl dürfte sich, wie schon erwähnt, anlässlich des Verkaufs an Österreich im Jahr 1363 auf vielleicht 150 Personen belaufen haben. Für das Jahr 1511 wird mit etwa 200 Bewohnern gerechnet. In Koblach selbst bestanden einem Urbar von 1542 zufolge nur 25 Haushaltungen. Erst allmählich wuchs die Neuburger Bevölkerung an, so daß 1767 schließlich 430 Personen in 90 Häusern gezählt werden konnten.[7]
Die Untertanen der Herrschaft Neuburg mußten ihrer Obrigkeit -einem Urbar von 1613 folgend – eine gemeinsame Steuer von 30 Pfund Pfennig entrichten, jeder steuerpflichtige Neuburger außerdem einen Tag als Frondienst für die Herrschaft mähen und jährlich ein Huhn abliefern.
Der Todfall – eine Art Erbschaftssteuer, die die leibeigenen Familien beim Tod des Familienoberhauptes zu entrichten hatten – wurde 1613 nicht mehr eingehoben.[8]
Dazu kamen noch die Lehenszinse für die den Herrschaftsleuten zur Bewirtschaftung überlassenen Güter.
Neben dem Grund und Boden, der der Herrschaft gehörte und von dieser gegen Zins verliehen wurde, lässt sich allerdings bereits im 15. Jahrhundert freies Eigentum an Grundstücken teils auch in bäuerlicher Hand nachweisen, so etwa in der Mayerau (Maygerow) zu Koblach, ebenso auf dem Kummen, im Oberfeld und im Öweli.'[9]
In Koblach nennt ein Urbar von 1542 folgende Personen als Inhaber herrschaftlicher Güter:
Jacob Kilian, Harms Hug, Wigg Jacob, Wigg Hans, Christan Krütler, Harms Blatner, Harms Tachawers Erben, Jerg Tachawer, Heinrich Wüest, Cunlin Hug, Christa Walser, Hanns Gächter, Ulrich Gächter, Uli von Bürckhen, Brunlin von Koblen, Sohn des Cunz Abstaiger, Joß Benz, genannt Gißinger, Harms Kilian, Jacob Abstaig, Allgast Moser, Hainrich Mosers Erben, Kilian Abstaig, Kilian am Rain, Hanns Baywelter (wohl Bagolter), Ulrich und Peter die Jeckhler, Cunzen Hans Abstaig, Merckh Appenzeller. In Au scheinen auf Andreas und Georg Zimerman, Caspar Strölin, Ulli Baywolter (wohl Bagolter) und der Schnider in der Ow, [10]
Ein Musterregister der österreichischen Gebiete Vorarlbergs aus dem Jahr 1621 überliefert die Namen der damals wehrfähigen Neuburger Männer, die im Landesverteidigungsfall aufzubieten waren. Bei den meisten Namen ist auch das Alter angeführt sowie der Quartiergeber, wenn keine selbständige Haushaltung bestand. Mit Rüstung, also einem Brustharnisch, Spieß und kurzer Wehr ausgestattet wurden Michael Bauter (30), Hans Gächter (35), Caspar Morser (28) bei Jerg Dorggeln, Hans Jäckhler (34), Hainrich Hueb (30), Hans Zimberman (45), Marx Kylgan (25) bei Jacob Amman, Adam Hug (36), Ulrich Moser jung (24), Galle Kreutler, Caspar Khylga, Michael Balter, Hans Jäckhle, Hans Madlener und Jacob Schwarz. Mit Musketen bewaffnet wurden Hans Kilbe (36), Jacob Moser (38), Jos Pont (36) bei Hans Kilga, Rieblis Sohn, Hans Greißing (20) bei Jacob Starckhen, Hans Kylgan, Lienharts Sohn (35) bei Hansen Moser, Martin Rederer (24), Hans Kylgan (30), Hans Moser (30) bei Ulrich Galter, Bartlme Kylgan bei Michael Starckhen, Michael Giesinger, Hans Kylgan (26), Wolf Marte (26), Hans Beckhle (30), Georg Rederer (32) bei Hansen Moser, Bascha Kylgan (30), Bascha Hug (24) bei Caspar Starckhen, Caspar Balter (21), Theis Kreiter (25) bei Crista Gächtern, Hans Schwarz (24), Hans Kylgan (30), Adam Gächter (30), Bascha Straub (30) bei Galle Kreutlern, Hans Gächter (34), Hans Ludescher (24) bei Bascha Mosern, Wolf Marte (26) bei Baltus Walsern, Hans Tachauer (21) bei Jacob Heußlin, Ulrich Gächter (38), Caspar Ströle (56) und Melcher Starkher bei Gergen Bawolter. Als Schanzgräber (Pioniere) eingeteilt waren Bascha Bommer, Hans Brenner, Theis Hug und Hans Straub.[11]
Das tägliche Leben dieser Menschen war geprägt von einem mühevollen Ringen um ein einigermaßen erträgliches Auskommen, die wirtschaftlichen Ressourcen des Gebietes waren ja verhältnismäßig bescheiden. Die primäre Form der landwirtschaftlichen Produktion bildete hier wie anderswo der Getreidebau.
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Alle Texte nach Alois Niederstätter „Burg und Herrschaft Neuburg im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Gemeindebuch Koblach, 1995
[1] Dazu Alois Niederstätter, Die Ammänner – lokale Amtsträger im Spätmittelalter. Zur Funktion des Dienstade|b und der bäuerlichen Oberschichten. ln: Montfort 46 (1994) 1, S. 62-76, hier S. 66f.
[2] Vgl. Alois Niederstätter, Beiträge zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Vorarlbergs (14.-16. Jahrhundert). – ln: Montfort 39 (1987), S. 53-70, hier S. 54ff.
[3] Vgl. Kurt Klein, Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung Vorarlbergs im späten Mittelalter. ln: Montfort 44 (1992) S. 125-143, hierS. 132.
[4] Anton Brunner, Die Vorarlberger Landstände von ihren Anfängen bis zum Beginn des 18. ahrhunderts. Innsbruck 1929 (= Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs und Liechtensteins 3), S. 142f.
[5] Ebenda S. 77.
[6] VLA Urk. 5522, 5523, 5524.
[7] Klein (wie Anm. 44), S. 132; ders., Die Bevölkerung Vorarlbergs vom Beginn des bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. ln: Montfort 21 (1969), S. 59-90, hier S. 82. A
[8] VLA Hs. u. Cod. Neuburg 1, fol. 13r-14r.
[9] Stowasser (wie Anm. 69), nn. 47, 59, 69, 121.
[10] VLA Hs. u. Cod. VA Feldkirch 28, S. 770ff.
[11] VLA Hs. u. Cod. H. u. DA. Bregenz 235. Ediert von Meinrad Tiefenthaler, Die Vorarlberger Musterrolle von 1621. Kempten 1940 (= Allgäuer Heimatbücher 23; Alter Allgäuer Geschlechter 18), S. 15f.